In ihrer Adaption des Reiseberichtes des Polarabenteurers Ernest Shackleton legt Autorin Helen Brecht Eisschichten frei, die unter den kolonialen Männerstiefeln knirschten. Im Zusammenspiel mit der Komposition von Elnaz Seyedi entsteht ein Hörstück über das Verhältnis von Mensch und Eis, Abenteuerlust und Ausweglosigkeit.
Für einen ersten Eindruck gibt es dieses elfminütige Hörstück, welches für den Kölner Kongress 2023 aus einem Livemitschnitt und einer Textaufnahme entworfen wurde. Darauf aufbauend möchten wir für das Radio neu produzieren und dafür suchen wir Partner:innen. Bei Interesse meldet Euch unter helen.brecht@posteo.de.
Unsere Empfehlung: Kopfhörer nutzen.
Helen Brecht
helen.brecht@posteo.de
+49 163 3921470
Helen Brecht (Text/künstlerische Leitung), Marlin de Haan (Produktion/künstlerische Leitung), Elnaz Seyedi (Musik, Ausschnitte aus »dazwischen als statischer Sonderfall« (2022) für Flöte, Oboe, Klarinette, Klavier, Violine und Violoncello; Livemitschnitt vom 28.08.22/Tabak Quartier, Bremen, mit dem Ensemble New Babylon, Tonmeister: Riccardo Castagnola), Hanna Werth (Stimme) und Friedemann Dupelius (Tongestaltung).
Mehr zum Team
Hintergrund
Am 1. August 1914 stach der britische Dreimaster „Endurance“ in See. Ziel war nicht der Kriegsschauplatz des auflodernden ersten Weltkrieges, sondern die Antarktis. Doch bevor die Endurance den kalten Kontinent erreichte, umschloss sie das Packeis der Weddell-See und ließ sie auseinanderbrechen wie eine Walnuss. Die Mannschaft unter der Leitung von Sir Ernest Shackleton harrte zwei Jahre auf den Schollen des Eismeeres aus, bis eine spektakuläre Rettung gelang.
Shackleton ging als erster Polarabenteuer in die Geschichte ein, der sein Scheitern zum Erfolg machte. Die Erzählung des starken Mannes, der seine Mannschaft durch die Entbehrungen der eisigen polaren Zone führt, fasziniert noch heute: die Führungspersönlichkeit Shackletons wird in Managerratgebern angepriesen; der Fund der »Endurance« auf dem Meeresgrund 2022 frenetisch gefeiert.
Hörstück
(Arbeitsstand, 11 Min.)
Helen Brecht legt in ihrer Text-Adaption von Shackletons Reisebericht Eisschichten frei, die unter den kolonialen Männerstiefeln knirschten. Das antarktische Eis wird zu einem Mitreisenden, zur Drift, zum Druck, zur Phantasie, zur transformatierenden Kraft äußerer und innerer Welten. Im Zusammenspiel mit der Komposition von Elnaz Seyedi entsteht ein Hörstück über das Verhältnis von Mensch und Eis, Abenteuerlust und Ausweglosigkeit. Seyedi’s Komposition »dazwischen als statischer Sonderfall« (2022) entstand unabhängig von dem Hörspielvorhaben und wird in der Arbeitsfassung zum Gegenspieler des eingesprochenen Textes der Schauspielerin Hanna Werth.
Vorhaben
Auf der Grundlage von Brechts Text und einer von Seyedi adaptierten Komposition von »dazwischen als statischer Sonderfall«, soll ein Hörstück von 30-40 min entstehen. Durch eine Konzentration auf die Aufnahmesituation und Postproduktion möchten die Künstler*innen Brecht/de Haan/Seyedi die räumliche Dimension des Hörstücks ausloten:
Wie werden Stillstand, Reibung und Drift in unserer alltäglichen Umgebung erfahrbar?
Helen Brecht, (*1987), lebt und arbeitet als Autorin/Librettistin in Köln. Sie schreibt Texte für Theater, Komposition und Installation. Ihre klanglichen Textarbeiten waren u.a. auf dem Sommerblut Festivals Köln, dem Insert Female Artist Festivals Köln, dem Beethoven Festival Bonn, im FFT Düsseldorf zu hören, zu sehen. Für das Musik Magazin »Noies Nr.3.« (Musik Szene NRW) entwickelte sie Textskulpturen. Brecht verbindet eine enge Zusammenarbeit mit dem Komponisten Alexander Maria Wagner (experimentelle Chanson-Zyklus »Arien ohne Vorhang«/20-23), der Theatermacherin Marlin de Haan (»südwärts«/21, »K.I.T.C.H.E.N.«/ 22) und der Choreographin Tanja Kodlin (»Stilllegung eines Öltanks«/22). Als Kuratorin war Brecht u.a. für das »Auftakt Festival für szenische Texte« und die »Reihe zur Zeitgenössischen Vortragskunst« tätig, die sie mitbegründete. Derzeit arbeitet sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Theaterwissenschaft an der Ruhr Universität Bochum. Brecht studiert/e postgraduiert »Literarisches Schreiben« an der Kunsthochschule für Medien Köln, am Gießener Institut für Angewandte Theaterwissenschaft und an der Kunstakademie Zagreb.
Friedemann Dupelius arbeitet mit Sound und Sprache. Er bewegt sich zwischen künstlerischen, journalistischen und dokumentarischen Ansätzen, die sich gegenseitig beeinflussen und oft gleichzeitig in einer Arbeit Einzug halten. Als Friday Dunard produziert er genrefluide elektronische Musik, die er veröffentlicht, live performt oder zu DJ-Sets vermengt. Unter dem Alias Wednesday Dupont entstehen Hörspiele, sonische Forschungen, digitale und akustische Texte für Radio, Festivals und Internet. Friedemann ist Teil des Kölner Experimentalchors Γλώσσα und verschiedener kollaborativer Musikprojekte. Er verfasst Radiofeatures und Texte über elektronische, experimentelle und zeitgenössische Musik und sonstige Phänomene der akustischen Gegenwart. Als Kurator ist er in Köln beim Musiklabel SPA und der Klangkunst-Reihe Brückenmusik tätig. An der Düsseldorfer Peter Behrens School of Arts unterrichtet er Design-Studierende in Sound-Phänomenen.
Als Regisseurin und Bildhauerin arbeitet Marlin de Haan an der Schnittstelle der bildenden und darstellenden Kunst. Sie beschäftigt sich mit den Spannungsverhältnissen von Körpern und Objekten im Raum und interessiert sich für die Möglichkeiten und Grenzen von Aktionsbereichen, Darstellungs- und Erzählformaten. Marlin de Haan inszeniert Theaterstücke, Performances und Filme, entwirft Skulpturen, Installationen, Räume, realisiert Ausstellungen und Interaktionen im öffentlichen, privaten und Kunstraum (u.a. FFT Düsseldorf, Bomontiada Alt Istanbul, Manifesta 9 Genk/Belgien, Kunsthalle Düsseldorf, Kunstmuseum Bochum). Ihre Arbeiten realisiert sie in unterschiedlichen Arbeitskonstellationen. Marlin de Haan ist Förderpreisträgerin der Stadt Düsseldorf und seit 2021 gehört sie zum Beirat Tanz und Theater.
Elnaz Seyedi, geboren 1982 in Teheran, 2000-2005 Studium der Informatik an der Azad Universität Teheran, parallel dazu Unterricht in Musiktheorie und Komposition bei Alireza Mashayekhi. 2007-2017 Kompositionsstudium bei Younghi Pagh-Paan, Jörg Birkenkötter, Michael Reudenbach und Caspar Johannes Walter an der Hochschule für Künste Bremen, der Folkwang Universität der Künste Essen und der Hochschule für Musik Basel. 2011 bis 2017 Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung. 2016 DAAD Jahresstipendium im Fachbereich Musik. 2017 Preisträgerin des Kompositionswettbewerbs Phoenix Trabant in Basel und des Bernd Alois Zimmermann Stipendiums der Stadt Köln. 2018/19 Stipendiatin der Internationalen Ensemble Modern Akademie (IEMA) in Frankfurt am Main, 2020 Aufenthaltsstipendium der Bartels Fondation im Kleinen Markgräflerhof in Basel. 2021 Aufenthaltsstipendium im Künstlerhof Schreyahn, 2. Preis beim Kompositionswettbewerb zu Albert Camus´ Der Fremde Nationaltheater Mannheim (zusammen mit Ehsan Khatibi und Johannes Abel), 2023 Aufenthaltsstipendium der Jungen Akademie von Akademie der Künste in Berlin.
Aufführungen u.a. im Rahmen der Wittener Tage für Neue Kammermusik, Wien Modern, Darmstädter Ferienkurse, Biennale Arte – La Biennale di Venezia, Gaudeamus Muziekweek Utrecht, Ultraschall Festival für Neue Musik Berlin, Huddersfield Contemporary Music Festival, Impuls Festival Graz, Zeiträume – Biennale für Neue Musik und Architektur Basel, Festival Mixtur Barcelona, Now! Festival Essen, Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik, Biennale aktueller Musik Bremen, Acht Brücken Festival Köln, Festival Leicht über Linz and Tehran Electroacoustic Music Festival. Ihre Werke erscheinen bei Edition Juliane Klein, Berlin.
Gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.